Cloud am praktischen Beispiel
Ich schätze dass mindestens 90% aller Leser die Cloud schon benutzen:
Um Mails schreiben zu können benötigt man einen Mail-Server. Dieser kümmert sich um das Senden/Empfangen von Mails. Das bedeutet, dass man einen Rechner braucht auf dem die Dienste laufen. Des Weiteren muss dieser permanent mit dem Internet verbunden sein um jederzeit Mails entgegen nehmen zu können. Gibt es Updates für das Betriebssystem oder für die Software so muss man sich selbst darum kümmern und das System pflegen.
Und genau das tun besagte 90% der Benutzer nicht. Es gibt zwar einige Leute die ihren eigenen Mailserver betreiben (und durch schlechte Konfiguration als Spam-Schleuder missbraucht werden), aber die bilden die Minderheit. Die meisten aber werden einen Webmailer benutzen. Dieser kümmert sich um den Betrieb der Software, Updates, die Hardware und vieles mehr. Anmelden, Mails lesen/schreiben und der ganze Rest der dahinter hängt ist nicht das Problem des Nutzers. Genau das bezeichnet einen Teil des Cloud Computings. Man benutzt nur die reine Software und hält selbst keine Infrastruktur/Software dafür bereit.
Problematik der Cloud
Dienste wie Google Music, Apples iCloud oder von Amazon sind derzeit stark im kommen und erweitern bisherige Cloud-Dienste wie z.B. Webmail. Sie bieten die Möglichkeit seine Daten dort hochzuladen und sie überall verfügbar zu haben. In Zeiten von (verhältnismäßig) günstigen mobilen Datentarifen und der immer weiter fortschreitenden Durchdringung des Lebens mit Smartphones ist dies grundsätzlich eine sehr praktische Sache. Immer wenn ich die Daten benötige sind sie verfügbar. Egal wo, egal wann. Um bei dem Vergleich mit dem Webmailer zu bleiben: ich benötige keinen Speicherplatz, da sich der Cloudanbieter darum kümmert.
Problematisch an dem Ganzen ist eine Sache: ich gebe Kopien meiner Daten (oder auch die Originale sofern ich ausschließlich dort ablege) einem Anbieter, bei dem ich nicht genau weiß was er damit macht. Schließlich machen die Firmen dies nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern aus monetären Beweggründen. Anstatt einer monatlichen Gebühr bezahlt man indirekt mit den Daten die man dort ablegt. Angepasste Werbung aufgrund des Inhalts ist nur eine Möglichkeit. Hausdurchsuchung um an Daten von „Feinden der rechtsstaatlichen Grundordnung” zu kommen? Wenn die Regime Regierungsseite freundlich mit der Aussage „Lockerung des Datenschutzes für Internetdienstprovider“ Richtung $Cloudanbieter winkt, dann fließen die Daten ohne Wissen des Besitzers. Überspitzt, aber möglich.
ownCloud
Genau bei diesem Problem setzt ownCloud an. Die Leute hinter dem Projekt entwickeln eine Software mit der es möglich ist seine eigene Cloud zu bauen.
Die Software gibt es nun schon seit einiger Zeit und Version 2 erschien Anfang Oktober. Es gibt zwar noch ein paar Ecken und Kanten, aber generell kann man es zur täglichen Benutzung empfehlen.
Bisher unterstützt die Software die reine Dateiablage ähnlich Dropbox, Musikstreaming wie bei Google Music, Kontakte- und Kalenderapplikation und eine Bildergallerie. Dabei können die Dateien/Kalender/Kontakte es von verschiedenen Stellen hochgeladen und synchronisiert werden. Sei es die Webanwendung, eine App auf dem Smartphone oder direkt der Desktoprechner.
Gleich zu Anfang aber erst mal die negativen Punkte die damit einher gehen eine eigene Cloud zu betreiben. Entgegen des eigentlichen Gedankens muss man sich selbst um die Installation und Wartung kümmern, man braucht einen Server (oder eine lokale Maschine) der permanent im Internet hängt und man benötigt genügend Bandbreite im Upload damit das Ganze geschmeidig auf das mobile Gerät/einen anderen Rechner kommt. Dafür gewinnt man an Freiheit. Die Daten bleiben bei einem selbst, man weiß was mit ihnen geschieht und man macht sich unabhängig von Anbietern (die gerne auch mal Dienste wegen Unwirtschaftlichkeit abschalten). Außerdem kann eine Instanz von ownCloud von mehreren Leuten gleichzeitig genutzt werden, also muss nur einer diese Arbeiten erledigen und der Rest bezahlt ihn durch Kostenübernahme des Hostings.
Jeder erhält seine eigene Cloud in der nur seine eigenen Daten vorhanden sind.
Installation von ownCloud
Ich werde hier nicht detailliert auf die Installation eingehen. Ich bin ein fauler Mensch und verlinke mal auf eine gute Anleitung. ;-) Generell dürfte es auf fast jedem Rechner funktionieren. Dabei sollte man aber berücksichtigen, dass der Rechner 24/7 läuft und entsprechend auch Strom verbraucht (ein Pentium 4 ist hier also eine schlechte Wahl ;-) ). Ein Raspberry Pi (Details dazu im vorletzten Post hier im Blog) wäre aufgrund des günstigen Preises und des geringen Stromverbrauchs gerade prädestiniert dazu.
Direkt an den Router anschließen und eine externe Festplatte dran: et voila. Vorteil eines Homeservers ist der vergleichsweise günstige Plattenplatz. Hoster bieten meist wenig Speicherkapazität an, oder aber etwas mehr für einen hohen Preis.
Da die ISP die DSL-Verbindung alle 24 Stunden trennen (gerade um Homeserver zu erschweren) und ihr dadurch eine neue IP erhaltet, ist es eine gute Idee sich einen dynamischen DNS Eintrag bei dyndns, no-ip und co zu besorgen und so den Server immer unter dem gleichen Namen erreichen zu können.
Die Module
Nun werde ich die einzelnen Module von ownCloud erläutern.
Dateiablage
Dateien können direkt über die Weboberfläche hochgeladen, bestimmte Datentypen (Bilder, Musik und Textdateien – weitere Dateitypen sind in der Entwicklung) geöffnet und heruntergeladen werden. Dateien können für bestimmte Gruppen oder auch für User außerhalb der Cloud freigegeben werden. Nach einem Klick auf den entsprechenden Button wird ein kryptischer Link erzeugt mit dem der User in der Lage ist eine bestimmte Datei bzw. eine einzelne *.zip (bei mehreren Dateien die freigegeben werden) herunterzuladen. Also eine prima Sache wenn man bestimmte Dokumente an viele User weiter verteilen möchte.
Für die Dateifreigabe unterstützt ownCloud webdav. Dies ist ein offener Standard zur Bereitstellung von Daten. Möchte man nun die Dateien auch auf dem Desktop aus der Cloud heraus öffnen, so muss man nur webdav im Dateimanager einrichten. Sofern geschehen sind alle Dateien aus der Cloud sichtbar. Dort kann man sie mit allen installieren Anwendungen öffnen, bearbeiten etc. Löscht man eine Datei so wird sie in der Cloud gelöscht, erstellt man eine neue so erscheint sie auch in der Weboberfläche. Im Prinzip verhält es sich analog zu IMAP bei Mails. Leider gibt es noch keine Möglichkeit des Offline-Sync wie bei Dropbox. Die Daten werden nur übertragen wenn eine Internetverbindung besteht. Des Weiteren gibt es Pläne mehrere ownCloud Installationen untereinander zu syncen.
Für den Zugriff von unterwegs gibt auch viele Dritt-Anwendungen für Smartphones die webdav unterstützen.
Musikstreaming
Musik kann wie schon erwähnt direkt im Browser abgespielt werden. Einfache Playlists funktionieren auch. Interessant ist hier die Integration von Ampache. Ampache ist ein Streaming-Server auf PHP Basis. Damit ist es möglich seine Musik in eine Anwendung zu integrieren und sie darüber abspielen zu lassen. Eine Liste von unterstützen Anwendungen kann man auf der Projektseite von Ampache einsehen. Amarok und Banshee (mit Extension) unterstützen dies. Da man aber auch unterwegs seine Musik hören möchte gibt es auch Apps für Android und iOS. Sucht einfach nach „ampache“ im Android Market bzw. in Apples Appstore. Leider ist es mit diesen nicht möglich Musik auch in die eigene Cloud hochzuladen. Da muss man leider über den „webdav“-Weg gehen.
Kontakte und Kalender
Wie bei den anderen Modulen können auch Kalendereinträge und Kontakte im Browser bearbeitet werden. Um eine Anbindung an die Außenwelt zu erhalten verlässt sich ownCloud auf die Protokolle „caldav“ (Kalender) bzw. „carddav“ (Kontakte). Diese lassen sich in eure Desktop-PIM (Kontakt, Thunderbird, …) einbinden. Wie gewohnt können Einträge angelegt, bearbeitet und gelöscht werden und diese Daten erscheinen entsprechend in ownCloud. Kategorien und mehrere verschiedene Kalender werden ebenfalls unterstützt. Man könnte z.B. einen Vereinskalender anlegen, den speziellen caldav-Link an alle Vereinsmitglieder verteilen und schon können alle Termine einsehen und bearbeiten.
iOS und Android…ach, wozu viel schreiben: ja, es gibt Apps von Drittanbietern für die Synchronisation. ;-)
Administration
Als Admin der Cloud kann man neue Benutzer und Gruppen anlegen. Den Benutzern kann man „Quota“ zuweisen, also wie viel Speicherplatz sie benutzen dürfen. Gerade in Umgebungen in denen der Speicherplatz ein kritischer Faktor ist eine praktische Sache. Des Weiteren können bestimmte Module – es gibt noch einige mehr als hier beschrieben, aber der Post ist so schon viel zu lang geworden – ein- und ausgeschaltet werden.
Testen
Unter demo.owncloud.org gibt es eine fertige Installation mit der man nach Herzenslust rumspielen kann. Hat man Gefallen daran gefunden ist eine Installation schnell durchgeführt.